Wer es schafft, die eigenen Grenzen zu überwinden, wird am Ende reich belohnt. Bereits während man sich im Klaren darüber wird, dass man gerade die eigene Komfortzone verlässt, fühlt man sich beflügelt. Glückshormone werden ausgeschüttet und das nicht gerade wenig. Hat man das sich gesteckte Ziel dann erreicht, kann man zurecht stolz auf sich sein. Die Tatsache, dass man eine Grenze überschritten hat und etwas erreicht hat, ist unglaublich befreiend. Das Selbstvertrauen, das man dadurch gewinnt, motiviert zu weiteren Grenzüberschreitungen. Genau solch eine Grenze habe ich bei meiner Teilnahme am Rupertusthermen-Lauf in Bad Reichenhall am 29. August 2020 wieder einmal überschritten. Für mich war es bereits der dritte Lauf in diesem Jahr, den ich mit meiner Alltagsprothese bestritten habe – und wenn Corona es zulässt, wird es auch nicht der letzte in diesem Jahr sein.
Doch was treibt mich immer wieder dazu, genau solche Grenzen zu überwinden? Dazu blicke ich kurz zurück auf meine Kindheit.
Schon als Kind und Jugendliche musste ich mich immer meinem Zwillingsbruder gegenüber behaupten. Egal was er tat, es war immer besser. So fing ich an, Sport zu treiben, habe ich doch die Hoffnung gehabt, wenn ich sportliche Erfolge erziele, eben genauso die Anerkennung zu bekommen wie er. Beim Sport merkte ich jedoch, dass ich während der Wettkämpfe an meine Grenzen stieß. Setze ich mir aber für den Wettkampf ein neues Ziel, was die Ergebnisse zum Beispiel in der Rangliste betraf, schaffte ich es, genau diese Grenzen zu überwinden. Schmerzen und Ermüdung traten plötzlich in den Hintergrund, waren vergessen. Nach den Wettkämpfen war ich zwar total erledigt, mich beflügelte aber gleichzeitig das Gefühl, es geschafft zu haben. Die Anerkennung die ich bekam, bezog sich dann aber nur auf meine Sportkameraden und leider nicht wie erhofft auf das familiäre Umfeld. Aber genau diese Erfahrungen, die ich in der Kindheit gemacht habe, verhelfen mir heute immer wieder die eigenen Grenzen zu überwinden, egal ob sportlich oder beruflich.
Eine solche Grenze stellte sich mir, wie bereits oben erwähnt, beim Rupertusthermen-Lauf in den Weg. Genau zehn Tage vor dem Start hatte ich erst meinen Umzug in die Steiermark über die Bühne gebracht und zudem musste leider mein Knie in die Reparatur. Ich musste den Lauf mit einer einfacheren Versorgung bestreiten, was sich recht schnell bemerkbar machen sollte. Dieses Gelenk ist für einen Tempowechsel und schnelle Schritte nicht unbedingt von Vorteil, es braucht einfach zu lange, um zu reagieren. Nur gut, dass ich vorher nicht wusste, wie anspruchsvoll die Strecke für mich würde, hatte sie doch einen Höhenunterschied von rund 35m.

Aber wer mich kennt, ahnt bereits, dass ich mich von so etwas nicht abhalten lasse, auch nicht von der Tatsache, dass ungefähr nach 2,3 Kilometern mein Stumpf anfing, zu schmerzen. Ich führe das darauf zurück, dass ich von meinem Knie gehindert wurde, ein gleichmäßiges Tempo zu finden. Daher beschloss ich, meine Prothese einem meiner Begleitläufer zu übergeben und den Rest der Strecke auf meinen Unterarmgehstützen zu bewältigen.

Ab diesem Zeitpunkt musste ich mich immer wieder an meine Leitsätze erinnern: „Aufgeben ist keine Option für mich!“ und meine Tätowierung auf meinem rechten Unterarm „stay strong“, die mir halfen, meine Grenzen erneut zu überwinden und diesen Lauf nicht abzubrechen.

Jeder weitere Kilometer kostete mich eine ungeheure Kraft, sollte doch der Rest der Strecke größtenteils bergauf über einen nassen, rutschigen und sandigen Waldboden führen.
Die Strecke wurde mit 6,75 km ausgeschrieben, meine Uhr zeigte mir doch leider weit vor dem Ziel etwas anderes an. Das machte es nicht unbedingt leichter, nicht aufzugeben. Wobei ich gestehen muss, dass ich während des Laufs immer wieder kurz davor gewesen bin.
Als ich dann endlich das Ziel vor Augen sah, machte sich bei mir eine große Enttäuschung breit. Die Organisatoren waren – genau wie bei meinem Zieleinlauf beim Schwebebahnlauf 2019 – bereits dabei, alles abzubauen. Kein Teilnehmer war mehr im Zielbereich, wurde ich doch beim Start noch groß erwähnt. Der Sprecher bekam nur durch einen Zufall mit, dass ich die Ziellinie überschritt. Völlig fertig und sichtlich enttäuscht habe ich mich am Rand niedergelassen und musste erst einmal mit mir selber klar kommen.

Da stellt sich mir natürlich die Frage, warum ich das überhaupt mache? Eigentlich kann ich dann doch auch für mich alleine Laufen gehen. Den Grund kann ich Euch sagen: Ich möchte die Gesellschaft dafür sensibilisieren, dass auch wir, die wir eine Behinderung haben, nicht nur unter unseresgleichen Sport treiben sollen. Jeder sollte – egal ob mit oder ohne Behinderung – die selbe Aufmerksamkeit bekommen. Ich behaupte einmal, dass wir deutlich mehr Leistung erbringen müssen, als jemand, der nicht behindert ist, doch leider wird das stark unterschätzt. Keiner sollte von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, jeder ist ein anerkannter Teil der Gesellschaft.
Ihr dürft euch definitiv auf weitere sportliche Ereignisse freuen, bei denen noch genug Adrenalin ausgeschüttet wird und weitere Grenzen überschritten werden…
Lasst euch überraschen!
Lasst mir gerne einen Kommentar da, wie ihr es schafft über eure Grenzen zu gehen.
Tolle Leistung, die du vollbracht hast. Ich vermisse nur die Links zu den Zeitungsartikeln. Oder hat die Presse diesmal nicht über Dich berichtet???
Hallöchen, danke für die Worte.
In diesem Artikel habe ich bewusst keine Zeitungsartikel erwähnt.
Die Letzten werden die Ersten sein. Es kommt nicht darauf an wann man/frau durchs Ziel kommt, sondern, das man seine persönlichen Ziele erreicht und das Glücksgefühl dabei. Ist doch vollkommen egal, ob die Ziellinie schon abgebaut wird und keiner von der Zeitung dabei ist. ;o)
Nach so einem Schicksalschlag ist das doch toll. Es gibt sicher viele, die das nicht mal im Ansatz versuchen würden und sich verkriechen.
So viel laufe ich nicht mal als „gesunder“ Zweibeiner, nur einmal musste ich 20km (in 4 Stunden) mein Fahrrad nach Hause wegen Panne schieben und hatte auch noch Holzclogs an, weia hatte ich Blasen. Mit dem Rad wiederum fahre ich dann manchmal aber über 100–150km am Tag… ja ich bin so bekloppt ;o)
Frau Passelat war letztes Jahr bei uns in der Schule und wollte mit unserem Kompetenzkurz gemeinsam am Rupertusthermenlauf teilnehmen. Sie wollte mit uns gemeinsam im Januar oder Februar trainieren. Aber sie ist nie wieder an unsere Schule gekommen.
Schade, wir hätten uns sehr gefreut, mit Frau Passelat diesen Lauf zu machen. Aber Frau Passelat hat es wohl nicht mehr interessiert, dass wir sehr enttäuscht von ihr sind.
Hallo Jason,
Vielleicht solltest du dich mal genauer informieren bevor du mir vorwirft nicht an Lauf teilgenommen zu haben.
Euer Lehrer Herr Sandau hat mir mitgeteilt das ihr nicht laufen dürft, Corona bedingt.
Er ist daraufhin den Lauf mit mir gelaufen, stand auch in euerer Presse.
LG
Sigrun